Melken mit dem Roboter – Wird Arbeitszeit eingespart?

Stand: 07/14/2011
Autor: Werner Baumgarten, DLR Westerwald-Osteifel

Die Milchviehhaltung ist eines der arbeitsintensivsten Produktionsverfahren in der Landwirtschaft. Mit dem Melkroboter wird versucht - wie in der Industrie, wo die menschliche Arbeitskraft durch eine zunehmende Automatisierung ersetzt wird - Arbeitszeit einzusparen.
Im Rahmen einer Diplomarbeit fand auf 23 Betrieben mit einem Automatischen Melksystem (AMS) in Rheinland-Pfalz und Hessen eine Erfassung des Arbeitszeitbedarfs je Kuh und Jahr statt. Der Student Tobias Müller der Fachhochschule Bingen hat - in Zusammenarbeit mit dem LLH Eichhof Bad Hersfeld und Werner Baumgarten, Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Westerwald-Osteifel - die Arbeit durchgeführt. Anschließend erfolgte ein Vergleich der Arbeitszeitdaten der AMS-Betriebe mit denen der DLG-Spitzenbetriebe.


Beschreibung der Betriebe
Die durchschnittliche Bestandsgröße der untersuchten Betriebe lag bei 75 Kühen, wobei die Anzahl der Kühe zwischen 47 und 150 Kühen lag. Auf sieben der dreiundzwanzig Betriebe standen zwei Melkroboter. Das Leistungsniveau der Herden bewegt sich zwischen 6.000 und 11.000 kg Milch. Der Einbau der Automatischen Melksysteme erfolgte zwischen 1998 und 2006, das Durchschnittsalter der untersuchten Anlagen beträgt 3,5 Jahre.
Datenerhebung
Ziel der Praxiserhebung war es, festzustellen, wieviel Zeit mit einem AMS eingespart werden kann. Der Zeitbedarf für die täglichen Routinearbeiten auf den Milchviehbetrieben wurde mit der Stoppuhr ermittelt. Die wöchentliche und monatliche anfallenden Arbeitszeiten sowie die Zeiten der Sonderarbeiten hingegen wurden erfragt.

Der Jahresarbeitszeitbedarf für eine Kuh setzt sich aus folgenden Arbeitszeitblöcken zusammen.

Details verbergen für MelkenMelken
Der Bereich Melken beinhaltet beim konventionellen Melken die Melkarbeit selbst und die vor- und nachgelagerten Arbeiten wie z. B. die Reinigung des Melkstandes. Das Melken mit dem Automatischen Melksystem bringt völlig neue Arbeitsabläufe mit sich und verändert die Arbeitsbedingungen grundlegend, weg von der eher „körperlichen“ hin zu einer stärker „geistigen“ Arbeit

1.Listenkontrolle
Die folgenden Arbeitszeiten wurden beim Zeitblock „Melken“ mit dem Roboter erfasst. Die wichtigste Arbeit ist das tägliche Kontrollieren der Listen, die ein AMS bei der Melkarbeit liefert. Durch die EDV ist es möglich, eine Vielzahl von verschiedenen Kenndaten zusammenzustellen.
Als erstes wird die Liste der „überzähligen Kühe“ (Zwischenmelkzeit) kontrolliert d. h. die Liste der Kühe, die den Roboter in den letzten 12 Stunden nicht zum Melken aufgesucht haben. Bei einem freien Kuhverkehr ist die Anzahl dieser Tiere größer als bei einem gelenkten. Diese Tiere müssen also nachgetrieben werden. Die Arbeit des Nachtreibens bereitet in der Praxis viel weniger Probleme als ein Außenstehender vermuten würde. Die Tiere lassen sich „freiwillig“ vor den Roboter treiben, wobei die anderen Kühe völlig unberührt davon in den Boxen oder am Futtertisch verbleiben.
Eine weitere, zu kontrollierende Liste, ist die Kraftfutterliste, die den invidiuellen Kaftfutterverbrauch der Tiere bzw. die Tagesrestmengen einzelner Tiere anzeigt. Die lässt dann Rückschlüsse auf die Tiergesundheit zu.
Die Daten der Leitwertmessung werden auch mindestens zweimal täglich kontrolliert. Durch den fehlenden Mensch-Tierkontakt beim täglichen Melken ist es notwendig, die Eutergesundheit auf diesem Weg zu kontrollieren. Bei einem Ansteigen der Leitfähigkeit in einem Viertel, müssen entsprechende Maßnahmen getroffen werden. Es erfolgt dann eine in Augenscheinnahme des entsprechenden Euters und Viertels, gegebenenfalls ein Schalmtest und eine Behandlung.
Definition Melkarbeit
1. Melkroboter
  • tgl. Liste kontrollieren
  • Filterwechseln
  • Roboter säubern
  • Kontrollgang
  • Kuhverkehr
  • Tränkepflege
2.Milchtankmanagement
  • Reinigen, Umleiten
  • wöchentliche Spülkontrolle
  • Monatliche Milchkontrolle
3. Sonderarbeiten
  • Wartung
  • kleine Reperaturen






2.Arbeiten rund um das AMS
Als nächstes wurden die Zeiten für das tägliche Säubern des Roboters erfasst. Dazu zählen Arbeiten: wie der Filterwechsel, die Reinigung des Grundgerätes und des Lasers, das Säubern der Kraftfutterschale, der Melkbecher und die Euterreinigung.
Der Kontrollgang, in die Herde, ist der wichtigste Bestandteil der täglichen Arbeit mit den Kühen, denn in diesem Arbeitsgang werden verschiedene Arbeiten gleichzeitig durchgeführt. Zum einem werden die überfälligen Kühe nachgetrieben - der eigentliche Anlass für diesen Kontrollgang - aber daneben findet auch eine intensive Tierbeobachtung statt. Dadurch, dass am AMS die Tiere den ganzen Tage gemolken werden, haben die Kühe ihren eigenen Tagesrhythmus, d. h. nicht alle Tiere fressen gleichzeitig bzw. nicht alle Tiere liegen nach dem Melken. Betriebe mit einem automatischen Melksystem machen die Erfahrung, dass die Herden viel ruhiger sind im Vergleich zu der Zeit, wo noch konventionell gemolken wurde.
Das Milchtankmanagement umfasst alle Zeiten der Milchtankreinigung z. B. auch die manuelle Reinigung des Puffertanks, falls dieser keine automatische Reinigung hat, oder das Umpumpen der Milch vom Puffertank in den Haupttank sowie alle andere anfallende Reinigungsroutinen. Die monatliche Milchkontrolle wird in Eigenregie mit einem automatischen Probenahmegerät durchgeführt, dafür fallen Zeiten für den Auf- bzw. den Abbau und das Versenden der Daten der Milchmengenmessung an. Auch die Durchführung kleiner Reparaturen (ohne den Kundendienst), der Austausch der milchführenden Schläuche und das Beheben von Störungen wurden dem Melken zugeordnet.
3.Ergebnis 6,5 (3,6 – 11,4) Stunden Melken
Der Durchschnitt von 80 % der AMS-Betriebe (die 10% mit den meisten und die 10% mit den wenigsten Melkstunden wurden aus der Bildung des Durchschnitts heraus genommen) liegen beim Melken bei 6,5 Stunden je Kuh und Jahr. Dieser Wert deckt sich auch mit Werten aus der Literatur. Beim Vergleich mit den DLG-Spitzenbetrieben (siehe Grafik) haben diese im klassischen Melkstand im Schnitt 21 Stunden pro Kuh und Jahr benötigt. Das Melken mit einem AMS hat eine Einsparung von 14,5 Stunden (69%) gebracht. Die Extremwerte aller AMS-Betriebe beim Melken lagen zwischen 3,6 Stunden und 11,4 Stunden je Kuh und Jahr.
Details verbergen für FütterungFütterung
In dem Arbeitszeitblock „Fütterung“ wurden die gleichen Arbeiten berücksichtigt wie in der Auswertung der DLG. Diese umfassen die kompletten Arbeiten rund um die Fütterung, angefangen vom Aufdecken der Silos bis zum Laden der einzelnen Komponenten (Silage, Kraftfutter, Mineralfutter und Sonderfuttermittel), des weiteren dem Mischen der einzelnen Futtermittel und dem Transport zum Stall sowie das Futtertischmanagement. Beim Vergleich der Arbeitszeit der AMS-Betriebe und der DLG-Spitzenbetriebe liegen die Zeiten auf einem relativ ähnlichen Niveau bei ca. 6 Stunden je Kuh und Jahr, die Roboterbetriebe benötigten im Durchschnitt 5,3 Stunden (0,7 Stunden =10% weniger). Die Zeiten der Betriebe, die mit einem Roboter melken, schwankten dabei zwischen 2,8 und 7,8 Stunden pro Kuh und Jahr. Die oberen Werte zeigen, dass in einigen Betrieben noch ein Bedarf zur Optimierung der Arbeitsabläufe beim Füttern besteht, was in der Regel an der innerbetrieblichen Anordnung und der Entfernung von Grundfuttermieten und Kraftfuttersilos zueinander liegt.
Details verbergen für BoxenpflegeBoxenpflege
Die Boxenpflege und das Einstreuen hat eine große Bedeutung bei den Betrieben mit einem Automatischen Melksystem. Alle Robotersysteme reinigen die Zitzen, jedoch sind die AMS bei ihrer Reinigungsleistung begrenzt. Deshalb werden in vielen AMS-Betrieben Tiefboxen oder hochgelegte Tiefboxen vorgefunden. Alle Zeiten, welche der Pflege des Liegebereiches zugeordnet sind, wurden ebenfalls getrennt erfasst. Dies ist zum Beispiel das mindestens zweimal tägliche Entmisten, Reinigen und Auffüllen der Liegeboxen. Bedingt durch den anderen Rhythmus der Tiere beim AMS liegen immer Kühe während der Boxenpflege in den Boxen. Bei den Melkstand-Betrieben findet in der Regel die Boxenpflege während des Melkens statt, wenn alle Boxen leer sind. Dieser Aspekt und der hohe Prozentsatz an Tiefboxen (69 %) deutet darauf hin, dass der Zeitaufwand bei den AMS-Betrieben mit 3,7 Stunden (bei einem Minimum von 1,6 und einem Maximum von 7,8 Stunden) pro Kuh und Jahr gegenüber den DLG-Spitzenbetrieben (3 Stunden) um 0,7 Stunden (=23%) höher liegt.
Details verbergen für HerdenmanagementHerdenmanagement
    Das Herdenmanagement war der vierte Zeitblock in der Untersuchung zum Vergleich der beiden unterschiedlichen Melksysteme. Dies sind wiederum eine Vielzahl verschiedener Arbeiten, die einzelnen Arbeiten sind in Tabelle 1 aufgelistet. Darüber hinaus fällt bei Roboterbetrieben noch die Arbeit für das Einmelken von Rindern und Kühen an. Wenn ein Tier das erste Mal im AMS steht, müssen nämlich die Positionen der Zitzen erfasst werden. Dies erfolgt je nach Hersteller der Anlage auf unterschiedliche Weise: vom manuellen Abfahren der einzelnen Zitzen nach Systemvorgabe (mit einer zum AMV gehörenden Fernsteuerung) bis zur anlageneigenen Selbstsuchfunktion. In der Regel müssen die Färsen nach dem ersten einmelken nach getrieben werden, bei Schwankungen von einem bis mehrere Tage. Für ein problemloses Erkennen der Zitzen beim Ansetzen scheren oder flammen einige Betriebe die Haare der Euter ab.
    Die Arbeiten beim Management auf den Milchviehbetrieben der beiden verschiedenen Melksysteme sind unabhängig vom Melksystem identisch, außer dem Einmelken und Euterhaare entfernen, die bei den Roboterbetrieben zusätzlich anfallen. Aber interessanter weise, zeigen die Ergebnisse der beiden Untersuchungen eine Differenz von 6,3 Stunden auf.
    Die AMS-Betriebe benötigen im Schnitt 13,9 Stunden je Kuh und Jahr (9-20,6) und die DLG-Spitzenbetriebe 7 Stunden (3-11) für das Herdenmanagement. Der Mehraufwand von 6,3 Stunden für das Scheren bzw. Abflammen der Euter und das Einmelken der Färsen und Kühe erscheint nicht logisch. Nach Rückfrage bei den Betrieben sind dies im Schnitt lediglich 45 Minuten pro Kuh für diese Arbeiten. Die Gründe für diese großen Unterschiede bei den Zeiten sind wohl in der Methodik der Datenerfassung zu suchen. Die Zeiten für das Management bei den zwei verschiedenen Betriebssystemen wurden erfragt.
Definition Herdenmanagement
  • Trockenstellen
  • Geburtshilfe
  • Geburtskontrolle
  • Erstversorgung von Kuh und Kalb
  • Behandlungen
  • Medikamentegaben
  • Künstliche Besamung
  • Trächtigkeitsuntersuchungen
  • Klauenpflege
  • Ein- und Umstallen
  • Kuhplaner führen
  • Tierkontrolle
  • Stallrundgang
  • Kraftfuttermanagement
  • Ohrmarken
  • HIT

außerdem nur Roboter
  • Euter scheren o. abflammen
  • einmelken
    In der Arbeit zur Erfassung der Arbeitszeiten bei den AMS-Betrieben beträgt der Zeitaufwand bei Zusammenfassung aller Zeitblöcke im Durchschnitt 27,6 Stunden pro Kuh und Jahr. Dagegen weisen die DLG-Spitzenbetriebe einen Durchschnittswert von 37 Stunden pro Kuh und Jahr auf, was im Durchschnitt der Summen lediglich eine Arbeitsersparnis von 25% durch ein AMS bedeutet. Berücksichtigt man den strittigen Punkt „Herdenmanagement“ nicht beträgt die Differenz zwischen den beiden Systemen 15 Stunden und würde eine Arbeitseinsparung von 50% bedeuten.
    Die gemessenen Werte beim Zeitblock Melken, die eine Reduzierung der Melkzeit auf 6,5 Stunden pro Kuh und Jahr gegenüber 21 Stunden bei den DLG-Spitzenbetrieben zeigen die Werte der vorangegangener Untersuchungen. In der Literatur werden Einsparungen von 40 – 60% beim Melken beschrieben, somit liegt der Wert in einem realistischen Rahmen.


Zusammenfassung
Das Automatische Melksystem ist inzwischen ein praxisreifes Verfahren und über die Testphase hinaus.
Bei einer Arbeitszeiteinsparung von ca. 50% entscheiden die zukünftigen Lohn- und Anschaffungskosten der Roboter über die „Schnelle“ der Verbreitung der AMS in der Praxis.

Für die Betrieben die Interesse an Technik als auch an Tieren haben und die höhere Managementaufgaben nicht scheuen, sind AMS eine Alternative zur herkömmlichen Melktechnik. Darüber hinaus bieten AMS den Landwirten die Chance aus der Arbeitsfalle herauszukommen und ein mehr an Flexibilität und Lebensqualität zu gewinnen.

Beispiel: Robbi melkt die Kühe - nur 16 Arbeitsstunden pro Kuh und Tag


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